Montag, 19. Oktober 2015

Ich, w., 27., bekenne mich schuldig.

...schuldig, nicht auf die Vorteile der digitalen Welt verzichten zu wollen. 

Wir schreiben das Jahr 2015. 24 Jahre ist es her, als Tim Berners-Lee das World Wide Web-Projekt am 6. August 1991 mit einem Beitrag zur Newsgroup alt.hypertext öffentlich und weltweit verfügbar machte.

Heute nutzen in der Schweiz 87.4% das Internet, eine grosse Mehrheit davon sogar täglich. Dass dies einen grossen Wandel mit sich bringt, ist sich auch Andrew Kenn bewusst. Im Interview mit der Handelszeitung spricht er über Missbrauch, ungerechtfertige Machtsellungen und fehlenden Sinn für die Zukunft. Kenn ist kein Verfechter des Internets, aber ein grosser Kritiker. Gerade was den Einfluss auf den Arbeitsmarkt betrifft, findet Kenn keine guten Worte. Instagram zum Beispiel weist im April 2015 300 Millionen Nutzer auf, wobei die Plattform lediglich von 15 Mitarbeiter betrieben würde. 

Schlagendes Argument Herr Kenn, doch obwohl ich Ihre Besorgnis nachvollziehen kann, sehe ich auch Chancen für den Arbeitsmarkt. Auf die Schnelle finde ich auf job.ch 103 Stellen im Bereich Online Marketing/Social Media. Das ist doch was!
103 Stellen, in kaum 30 Sekunden. Der Beschrieb, die Links auf die Webseiten der Unternehmungen, Filterfunktion für Beschäftigungsgrad und Arbeitsort, alles verfügbar in so kurzer Zeit. 

Imponiert bin ich deshalb nicht. Heute läuft das so, ist normal. Ich frage mich, wie viele Personen wirklich noch den Stellenanzeigen in Zeitungen lesen. Und warum tun die das? Schaffen sie damit Arbeitsplätze in Druckereien, Kioske und Versandhäusern? Bei Druckpatronen- und Papierherstellern, bei Immobilienhändler und Liegenschaftsverwaltungen? Oder anders betrachtet, vernichte ich mit meinem Verhalten genau diesen Arbeitsmarkt? Trage ich Schuld an Arbeitslosigkeit? 
Auch privat habe ich gemäss Kenn längst keine weisse Weste mehr. Als Nutzerin von AirBnB bin ich sogar Teil eines Prekariats! Ich nutze das Angebot einer Privatperson anstelle jenes der Hotellerie. Die Branche verzeichnet weniger Gäste, das Lohnniveau leidet, der Teufelskreis beginnt... 

Nun gut. Ich bekenne mich schuldig. Mitschuldig zumindest. 

Ist es an der Zeit, mein Verhalten zu überdenken? Klar, denn der sorglose Umgang mit dem WWW betrifft auch mich. Es ist Zeit für eine Reflexion, für ein sich-Bewusst-werden, für eine bird-eye-view auf das Ganze. Denn darum geht’s aus meiner Sicht - um eine Sensibilisierung. Es ist nicht mehr wie damals und wird es auch nicht mehr werden. Wir sollen von den vielen Vorteilen des Internets profitieren, diese ausbauen und weiterentwickeln – ohne dabei die Nachteile, die Auswirkungen auf unser Privatleben und auf die Arbeitswelt beschönigen oder gar ignorieren zu wollen. Denn nur wenn wir dies tun, erlauben wir den Monopolisten den Missbrauch ihrer Machtstellung. Es liegt also an uns.


P.S.: betreffend Zeitungen… mal ehrlich, lest ihr überhaupt noch Printmedien? Schaut mal in meinen letzten Blogbeitrag rein und diskutiert mit!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen